OFFENER BRIEF AN DIE BUNDESTAGSABGEORDNETE DES WAHLKREISES 294 - FRAU HEIKE ENGELHARD (SPD)
29. April, 2024 um 14:38 Uhr,
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OFFENER BRIEF AN DIE BUNDESTAGSABGEORDNETE DES WAHLKREISES 294 - FRAU HEIKE ENGELHARD (SPD) "OSK RAVENSBURG UND ABTREIBUNGEN"
Sehr geehrte Frau Bundestagsabgeordnete,
liebe Heike,
zuletzt trafen wir uns auf der Demo "Gegen Rechts" am 27. Januar 2024, bei der ich dich mit einem Handschlag und einen Shalom grüßte. Das war mir persönlich wichtig, da ich dich ja auch hin und wieder heftig kritisiere. Beides - Shalom und Kritik - auch im Folgenden. Es geht um die heutige Ausgabe der hiesigen "Schwäbischen Zeitung" (SZ), wo du dich zur Thematik "OSK/Abtreibungen" ausführlich und beschreibend äußerst. In dem Bericht erscheint das Adjektiv "skandalös" gleich vier Mal.
Auf den Hinweis der SZ, der Kreistag habe sich aufgrund des christlichen Menschenbildes gegen Abtreibungen in der OSK ausgesprochen, antwortest du: "Das ist skandalös." Selbstverständlich darfst du in einem freien und demokratischen Land diese Meinung vertreten - auch öffentlich und plakativ, so wie du es heute in der Zeitung tust. Doch von "einem Skandal" (implizit) im Zusammenhang mit der OSK zu reden, das hättest du an selber Stelle 2021 und 2022 tun müssen (!), als gleich mehrere Skandale über der OSK, ihrem Geschäftsführer, deren Aufsichtsrat und dem Kreistag kreisten. Dazu kam 2023 die skandalöse und unnötige Schließung der OSK-Außenstelle Bad Waldsee. Kein Bild damals von dir in der Zeitung, kein Mucks gegen Lauterbach und Lucha. Jedenfalls nicht öffentlich.
Weggeduckt hast du dich, obwohl - unter anderem auch von mir und natürlich auch durch die "Schwäbische" - informiert. Kein einziges Jota war von dir öffentlich zu hören - es standen ja auch Bundestagswahlen an - und was Bad Waldsee anbetrifft - es ist ja nur Kommunalpolitik und nicht Sache des Bundes.
Stattdessen wurde ein gewisser kleiner Rentner, der versucht hatte Licht ins Dunkle zu bringen, vor Gericht allein gelassen. Allein? Nein, er hatte einen guten und zu bezahlenden Rechtsanwalt an seiner Seite und zwölf gute Freunde auf den Zuschauerbänken, die ihn moralisch unterstützten.
Aber es wird Zeit, hier endlich mal was klar zu stellen - und das hat auch etwas mit dem "christlichen Menschenbild/ keine Abtreibungen", zu tun, welche Kombination du allerdings mit dem Prädikat "skandalös" betitelst. Skandalös für mich ist, dass du mit dieser Äußerung nicht nur die "christlich-jüdischen Wurzeln" (Altes und Neues Testament) nicht nur in Frage stellst, sondern sie quasi als "Unkraut" hinstellst.
Wie du weißt, bin ich so "links", wie es das Grundgesetz erlaubt und die Bibel es nach meiner persönlichen Ansicht fordert. Das ist mir für das Folgende wichtig zu betonen. Denn: Aufgrund meiner christlichen, humanen und sozialen Prägung von Elternhaus an, meiner beruflichen Professionen und Erfahrungen und meiner mittlerweile 72 Jahre Lebenserfahrung bin ich der Überzeugung, dass das menschliche Leben vom Tage der Zeugung im Mutterleib an und der gesamten pränatalen Phase über, schützenswert und erhaltenswert ist - und Abtreibungen nur in wirklichen moralisch und ethisch vertretbaren Ausnahmen vorgenommen werden sollten. Beispielsweise nach Vergewaltigungen, bei Lebensbedrohung für die Mutter, oder extrauterinen zu erwartenden dauerhaften Lebensqualen für das Kind.
Das aber, was du in dem Zeitungsartikel forderst und auch in Aussicht stellst (andere Länder und expliziert Niederlande), ist für mich ein allzu leichtfertiger und unverantwortlicher Umgang mit dem Leben eines Menschen. Deswegen wähle ich aber noch lange keine extrem konservative und/oder gar rechtsgerichtete Partei oder Gruppierung (siehe oben), sondern ich bekämpfe sie (die Rechtsextremen). Es ist nur traurig, dass zwar ein bedingungsloses JA zu "Abtreibungen in einem gewissen Zeitraum" in unserer Demokratie erlaubt ist, aber jene, die sich dagegen aussprechen, es nicht dürfen, ohne gleichzeitig in eine gewisse Ecke gerückt zu werden. Das hat mit Meinungsfreiheit nichts mehr zu tun.
Leider scheinst auch du vergessen zu haben, dass wir unser Leben in Verantwortung gegenüber Gott (siehe Präambel des Grundgesetzes) und in Verantwortung gegenüber dem Mitmenschen (und das gilt für alle Bereiche) gestalten sollen (Artikel 1 und 2 GG) und uns dabei nicht nur von Recht und Ordnung und juristischer Legalität, sondern auch von Ethik und Moral leiten lassen - und in Sachen Abtreibung hat genau das der hiesige Kreistag getan!
Deine Aussage: "Keine Frau macht sich die Entscheidung leicht oder nutzt Abtreibung als Mittel zur Familienplanung," (fett von mir) ist nicht nur unbelegt und einfach daher gesagt (es gibt keine Statistik über "leichtfertig oder nicht"), sondern faktisch auch falsch. Im Report des Statistischen Bundesamtes zu "Familienplanung und Kinderlosigkeit" heißt es: "Der Begriff Familienplanung umfasst alle Maßnahmen mit denen ein Paar den Zeitpunkt der Geburt und die Anzahl von Kindern beeinflussen und bestimmen kann, wie beispielsweise die Empfängnisverhütung, die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch sowie die künstliche Befruchtung." Das impliziert eindeutig, dass auch Schwangerschaftsabbrüche zur Familienplanung genutzt werden.
Auf der Web-Site des Landkreises Tuttlingen heißt es: "Wenn Frauen/Paare erfahren, dass sie ein Kind erwarten, reagieren sie auf unterschiedliche Weise. Viele freuen sich, weil ein Wunsch in Erfüllung geht. Andere sind überrascht und können sich nicht vorstellen, dieses Kind zu bekommen. Häufig fühlen sich Frauen/Paare zwischen allerlei widersprüchlichen Empfindungen hin und hergerissen, und das unter einem enormen Zeitdruck." --- Dieser Passus zeigt eindeutig, dass es hier nicht um kriminologische oder medizinische Indikationen oder um Sexualdelikte geht, sondern um die Verweigerung von Verantwortungsübernahme (Leichtfertigkeit) für das "am Morgen danach".
Ich kann nur hoffen, dass unserer Zeitung, deren Abonnent auch ich bin, das mit einem passenden Artikel einmal ins rechte Licht rückt. Denn deine Aussagen - zumal mit der Forderung nach einem Abtreibungsarzt/ärztin an der OSK ("muss") - sind auf Jeden Fall korrekturbedürftig - und zwar öffentlich. Dem Ravensburger Kreistag aber gebührt Dank für seine Entscheidung!
Bedenke bitte - falls du mir antwortest -, dass diese Mail öffentlich ist.
Mit einem "Shalom" und guten Grüßen,
Stefan Weinert, Ravensburg