Gründonnerstag: Das Abendmahl aus der tiefenpsychologischen Sicht
Das Abendmahl aus der tiefenpsychologischen Sicht
Bekanntlich arrangierte Jesus von Nazareth für seine bis dahin treuen "Jünger" (englisch: disciples = Disziplin) am Vorabend seiner Ermordung ein Essen, ein "Mahl", wo er urplötzlich - niemand außer eventuell Judas war darauf vorbereitet - das Brot und den Kelch voll Wein zu seinem eigenen Leib (Fleisch) und Blut erklärt. Das muss bei den Anwesenden so eine Art Schock ausgelöst haben und so recht verstanden hat es wohl damals niemand. Die Frage, ob der Mensch der Gegenwart das 2.000 später begriffen hat, ist mehr als berechtigt.
Die Katholiken halten bis heute (2024) daran fest, dass es sich bei der Kommunion tatsächlich, de facto also, um den Leib und das Blut Jesu handelt, währende Luthers Jünger/innen das seit Anfang des 16. Jahrhunderts mehr als symbolischen Akt einstufen. Deswegen sträubt sich die Katholische Kirche bis heute dagegen, ein gemeinsames Abendmahl mit den "Evangelen" zu feiern. Und dieses, obwohl beim Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren (Papst Johannes XXIII. und Papst Paul VI.) jenes als Ziel der ökumenischen Bemühungen beschlossen wurde.
Normaler Weise ist die erste Feier des "Abendmahles" für die Kirche ein guter Grund, so etwas jährlich mit Glanz und Gloria an jenem Tag zu feiern, wo es tatsächlich auch stattfand, nämlich einen (1) Tag vor der Kreuzigung Jesu. Da dies aber der "Gründonnerstag" in der "Karwoche" ist, verbot der Katholische Kirche in Urzeiten und bis heute, die Einsetzung des Abendmahles in der Karwoche zu feiern und machte daraus das spätere "Fronleichnam", (immer der zweite Donnerstag nach Pfingsten), wo Hostie und Kelch abseits der Karwoche in prunkvoller Prozession durch Stadt und Land getragen werden. Das Wort "Fronleichnam" leitet sich von dem Mittelhochdeutschen "vrône lîcham" = des Herrn Leib - ab.
Ob nun tatsächlich der historische Jesus (siehe die Geschichtsschreiber Tacitus und Josephus) ein solches "Abendmahl", wie es in der Bibel geschrieben steht gefeiert hat, oder ob diese Sequenz aus anderen Gründen Eingang in die Evangelien gefunden hat, ist nicht gewiss. Aber Aufschluss über all dieses könnte uns der große Psychoanalytiker Sigmund Freud geben, der sich in seinem Werk "Totem und Tabu" ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt.
Sigmund Freud (*1856 in Wien, + 1939 in London) war österreichischer Jude und musste deshalb nach dem "Anschluss" seines Landes an Deutschland nach England emigrieren. Freud war nicht unbedingt fromm, aber er kannte sich mit seiner jüdischen Religion, mit Religionen im Allgemeinen und mit der Menschheitsgeschichte sehr gut aus. Er schrieb übrigens auch das Buch "Der Mann Moses und die monotheistische Religion", das ich mit großer Begeisterung gelesen habe. In diesem Buch belegt er, dass der Monotheismus (also der Glaube ein nur einen Gott) nicht eine Erfindung des alten Volkes Israel und damit auch nicht der Juden und in der Folge auch nicht der Christenheit und des Islam ist, sondern dass der "Glaube an einen (1) Gott" aus dem alten Ägypten stammt und Moses selbst ein Ägypter war (Moses = auf Ägyptisch: Sohn), der den Monotheismus weiter tradiert hat. (Unbedingt lesen).
Als Freud sein Werk "Totem und Tabu" schrieb (1912, vor genau 112 Jahren), war es in den deutschen und anderen europäischen Kolonien gang und gebe, dass die dort lebenden Naturvölker ihre getöteten Feinde anschließend bei einer Feier verspeisten, um sich deren Kräfte, deren Fähigkeiten und deren Wissen einzuverleiben.
Freud geht noch viel weiter zurück - zurück in die Zeit, wo der Affe zum Homo erectus, der zum Neandertaler und der zum Homo sapiens wurde. Wo das, was wir heute noch im Tierreich feststellen, auch unter den Menschen Usus war. Denn eine Gruppe von Menschen war auch so gegliedert, wie die im Tierreich. Es gab nur einen (1) Patriarchen, den omnipotenten und omnipräsenten Vater. Alle Weibchen in der Gruppe/Horde waren sein Besitz. Auch die von ihm selbst gezeugten Töchter durfte nur er besteigen. Die anderen Männchen, einschließlich der von ihm gezeugten Söhne, gingen leer aus. Und das oft über sehr viele Jahre. Nun ist aber ein Mann ein Mann, und - sowohl im Tierreich als auch unter den Menschen - "steht" immer noch die Mehrheit der Männer auf Frauen/Weibchen.
Es gab also für die Söhne in der Gruppe vier Möglichkeiten: a) frustriert die Gegebenheiten hinnehmen, b) warten bis der VATER eines natürlichen Todes stirbt, oder c) ihn durch einen einzelnen herauszufordern, zu besiegen und dann zu vertreiben, oder "am besten" d) ihn gemeinsam zu töten und die Weibchen unter sich aufzuteilen. Genau auf diese Lösung in der Gruppe, der Horde, der Gesellschaft zielt Sigmund Freud ab. So, seine These, geschah es in Urzeiten, wobei der von den Söhnen gemeinsam ermordete VATER anschließend verspeist wurde, um seine MACHT zu erhalten.
Allerdings gab es dabei einen "Haken", den die Menschwerdung des Tieres einem jedem von uns bis heute hinterlassen hat: das Gewissen; hier das "schlechte" Gewissen. Denn einerseits haben die Söhne ihren Vater gehasst, ihn aber auch geliebt; einerseits haben sie ihn tiefgehend beneidet, andererseits aber auch bewundert. "Was haben wir da nur getan?!" war ihr Resümee nach der Tat. Und so aßen sie ihren Vater nicht nur aus Freude ihn los zu sein, sondern auch mit Dankbarkeit und Reue, dass es ihn gab und was sie ihm angetan haben.
Und jährte sich der Tag des Vatermordes, wiederholten sie dieses Mahl, und sie töteten dazu das Tier, dass ihrem Stamm, ihrer Gruppe am wichtigsten war (Totem), und verspeisten es symbolisch im Gedenken an den VATER. Jahr für Jahr! Jahr für Jahr, um sich die Absolution durch vorheriges Sündenbekenntnis zu holen.
Da saßen oder lagen (Orient) sie nun, die zwölf (12) "Verschworenen", die immer zu ihrem Jesus halten wollten. Doch als es drauf ankam, waren sie alle weg. Einer von ihnen "verriet" ihn sogar für dreißig lächerliche "Silberlinge" (= Denare). Ein (1) Denar hatte zur damaligen Zeit eine Kaufkraft von heute umgerechnet rund 20 Euro. Also für 600 Euro Blutgeld den mutigsten Mann aller Zeiten verraten. Die anderen elf (11) schliefen ein, während Jesus im Garten Gethsemane mit Gott um sein Leben rang - und Petrus war so ein "Schisser", dass er Jesus zu kennen sogar dreimal "unter Eid" abgestritten hat.
Und gerade diesen "Zwölf", die an seinem Tod nichts anderes als mitschuldig sind, präsentiert er wenige Stunden vor seinem gewaltsamen Ableben, das Brot und den Wein, als seinen toten Körper (Fleisch und Blut). So als wollte er sagen: Wisst ihr eigentlich, was hier in den nächsten Stunden passiert. Ihr tötet zwar nicht den VATER im Himmel direkt, aber irgendwie dann doch ...
"Tut dies zu meinem Gedenken" = tut dies zum Gedenken daran, dass ihr mich, den Repräsentanten Gottes auf Erden getötet habt. So werdet ihr euer Gewissen beruhigen können.
Das ist so, als würde eine bestimmte Gesellschaft einen ungeliebten Kritiker töten und anschließend eine Straße oder einen Platz nach ihm benennen, um immer wieder daran erinnert und zur Buße aufgefordert zu werden und um das universale Gewissen zu beruhigen. Nein, nicht bewusst, sondern unbewusst - denn das ist das, was Sigmund Freud sagen wollte. Gedenktage in Deutschland, wie der 27. Januar (Befreiung Auschwitz), 8. Mai (Ende des faschistischen Deutschlands) und 20. Juli (misslungenes Hitlerattentat) scheinen das zu bestätigen.
Übrigens geschah am ersten "Gründonnerstag" noch etwas Unglaubliches. Jesus der Meister, der Rabbi, der Lehrer, wäscht seinen Jüngern die Füße. Das war unterster Sklavendienst. Und was machen wir? Wir waschen uns gegenseitig die "Köpfe", und machen den anderen so richtig schön fertig. In der Bibel steht das nicht, noch nicht einmal im Grundgesetz. Doch es gibt sie, diejenigen, die bereits sind, anderen die Füße zu waschen, die sich nicht zu schade sind, dem anderen zu dienen, anstatt sich dienen zu lassen.
Doch es werden immer weniger. Grad heute habe ich gemeinsam mit der hinterbliebenen Familie und Freunden einen von ihn zu Grabe getragen.