Demokratie in Oberschwaben: "Netzwerk der Kollegen" wichtiger als Schulterschluss mit Bürgern ...
Stef-Art 2024 (c)
Wo bist du - oberschwäbische Demokratie? Wo?
Es wurde und wird schon seit Langem von vielen Seiten hart kritisiert, dass die Kreistage (Gremien der Kreisräte und -Rätinnen) zum großen Teil mit den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen der Kommunen des jeweiligen Landkreises vertreten sind. Sie vertreten daher eben auch zum großen Teil ihre eigenen kommunalen Interessen, was heißt, auch ihre ganz ureigensten politischen Überzeugungen und Absichten.
Dafür aber dem Volk umso mehr. Gespürt hat es das in der nun auslaufenden Legislatur in Sachen "Oberschwäbische Kliniken" (OSK) mit den beiden Skandalen "Causa Dr. Adolph" und der Klinikschließung in Bad Waldsee. Und weiteres Ungemach könnte hinsichtlich der Fusions-Gedanken "CMB" Friedrichshafen drohen.
Nun konnte ich gestern bei der "Schwäbischen Zeitung" - Ausgabe Bad Saulgau (Oberschwaben) dazu als Paradebeispiel lesen, wie es in unserer Südwest-Demokratie zugehen kann.
Mitte November 2023 (also vor vier Monaten) wurde in der Kurstadt ein neuer Bürgermeister gewählt. Vor wenigen Tagen fand dort eine öffentliche Sitzung des Verwaltungsausschuss' statt, zu der aber der Bürgermeister nicht erschien, sondern seinen Stellvertreter entsandte. Das kann schon mal vorkommen, wenn der "Erste" aus guten Gründen verhindert, oder aus "schlechten", wenn er erkrankt oder Ähnliches ist.
Über das Ausbleiben des Bürgermeisters hat sich eine SPD-Kreisrätin ziemlich geärgert. Interessant für uns alle, ob aus dem Nachbarlandkreis oder dem hiesigen kommend, sind die Begründungen des Bürgermeisters, warum er nicht zur Sitzung, wo es um Investitionen ging - also um Steuergelder - nicht gekommen ist.
Ihm war es - so ergibt es sich aus dem Kontext des Zeitugsberichtes - wichtig(er), bei der Nominierungs-Versammlung seiner Freien Wähler für die Kreistagsliste, die wohl zur selben Zeit stattfand, dabei zu sein, als bei der Verteilung von Steuergeldern. Jedenfalls zog er seine Anwesenheit dort der kommunalen Veranstaltung vor.
Denn - und das sollte man/frau sich auf der Bürgerzunge zergehen lassen und dabei jedes Wort "genießen" - >> es sei die Aufgabe des Bürgermeisters, ein Netzwerk aufzubauen und gleichzeitig deshalb die Stadt im Kreistag zu vertreten. „Da ich zudem als Listenverantwortlicher für die Kreistagsliste benannt wurde, wäre es bei dieser Nominierung falsch gewesen, nicht anwesend zu sein." << (Quelle)
Und die Kontaktaufnahme und Vernetzung mit den potentiellen Kreistagskollegen (so wie auch er in Zukunft?) sind wichtig, kontextual = wichtiger. Sprich: das Netzwerk auf höherer Ebene steht bei ihm vor der Kommunität mit seinen Stadträtinnen und dem Schulterschluss mit den Bürger/innen und ihren Sorgen und Anliegen.
Ein schlechter oberschwäbischer Witz ist es, wenn dieser "Meister der Bürger" dann auch noch meint, sein Verhalten sei quasi für niemanden schädigend gewesen. Das kann er gar nicht beurteilen, das müssen die tun, die ihn gewählt haben (60 Prozent) - und die, die ihn nicht wollten, sehen sich wahrscheinlich bestätigt.
Nun liegt Ravensburg nicht weit entfernt von Bad Saulgau. Ob sich einer/eine der Bürgermeister/innen zwischen Aichstetten und Königseggwald auch so verhalten würde oder verhalten hat wie in Saulgau, ist mir nicht bekannt und will ich auch nicht hoffen. Dass es aber politische "Netzwerke" im Landkreis Ravensburg gibt, Taktiken - und Eigeninteressen von Bürgermeistern im Ravensburger Kreistag eine größere Rolle spielen und gespielt haben, als der Wählerwille und nach dem 9. Juni 2024 sich da wenig verändern wird, das zu denken, dürfte (Konjunktiv) nicht abwegig sein.